Ideen für die Zukunft der Pflege Podiumsdiskussion beim Roten Kreuz – „Leidensdruck offenbar nicht hoch genug“
Auf Einladung von Markus Eckhardt, Kreisgeschäftsführer im BRK Kreisverband Straubing-Bogen, kamen Vertreter aus allen Bereichen der Pflege zusammen. Das Ziel: Ideen für die Lösung des Pflegenotstands finden.
In der Auftaktrunde forderte Eckhardt auf, die aktuellen Probleme in der Pflege aus der jeweiligen Sicht der Teilnehmer der Diskussion aus deren Betätigungsfeld dar-zustellen. Karina Luginger, Referentin für Pflege, wies auf die ständige Über-forderung der Fachkräfte hin, deren hohe Verantwortung sowie die fehlende gesellschaftliche Anerkennung. Sie bemerkte, „dass es eine immense Herausforderung ist, die Mitarbeiter zu halten und die Abwanderung in andere Berufe zu verhindern“. Das betreffe alle sozialen Berufsgruppen.
Landrat Josef Laumer berichtete von den vielen Zuschriften, die er bekommt: Hilferufe von Betroffenen, die kaum Pflegeplätze – ambulant oder Heim – finden. Seine Einschätzung ist, dass nicht allein zu wenig Geld das Problem sei, sondern den Mitarbeitern mehr Wert-schätzung gezollt werden müsse.
„Ein Heim im Landkreis musste schon schließen“
Bernhard Krempl, stellvertreten-der Landrat und und selbst ehemaliger Heimleiter, stellte fest, dass von den angekündigten Dokumentationsvereinfachungen „unten“ nichts angekommen ist und warnte, dass man keine Zeit mehr habe –„Die Heime im Landkreis sind nur noch zu 50 Prozent belegt und ein Heim musste schon schließen.“
AOK-Direktor Georg Kagermeier stellte die demographische Entwicklung heraus, die mit dem aktuellen Finanzierungskonzept schwierig zu stemmen sein werde.
Daniel Schümann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Theorie-Praxistransfer in der Altenpflege TH Deggendorf, stellte klar, dass Deutschland international gesehen in der Akademisierung der Pflege unattraktiv sei, weil ausländische Fachkräfte in Deutschland ein großes Anerkennungsproblem haben –„eine Fachkraft mit Bachelorabschluss muss bei uns zuerst einen Waschkurs absolvieren, bevor wir sie einsetzen dürfen.“
In der nächsten Runde wurden mögliche Lösungsansätze angesprochen. Die wichtigsten Aspekte waren, dass die Belastung der Mit-arbeiter reduziert werden muss. Springerpools, die aktuell nur in ausgewählten Projektheimen installiert sind, sollten so schnell wie möglich allen Heimen zur Verfügung stehen. In diesem Zusammen-hang sollten die Dienste familien-freundlich ausgelegt sein.
Landrat Laumer stellte die Eröffnung der Pflegeschule in Mallersdorf für 2024 in Aussicht. Ebenfalls verwies er auf die Diskussion um die BMW-Ansiedlung in Irlbach und stellte klar, dass dies auch für die Pflege wichtig sei und keine direkte Konkurrenz darstelle. Dies griff Karina Luginger auf und stellte fest, dass der Landkreis die BMW-Ansiedlung brauche, aber dass auch BMW die Pflege brauche – ihrer Ansicht nach brauchen Industriebetriebe Kooperationen mit Sozialeinrichtungen, damit Synergien geschaffen werden können –wenn der Arbeiter jemanden pflegen muss, kann er schließlich nicht im Werk sein und arbeiten.
50 Prozent der Studienplätze nicht belegt MDL Bernhard Seidenath prophezeite, dass der Gesellschaft die schwierigsten Zeiten mit der Pflege der Babyboomer noch bevorstehe. Es sei wichtig, das Berufsbild attraktiver zu gestalten – aktuell habe die Pflege einen Akademisierungs-grad von 0,4 Prozent – in anderen Bereichen seien zehn Prozent und mehr üblich. Aber im Vergleich zu Medizinstudiengängen sind in Bayern 50 Prozent der Pflegestudien-plätze nicht besetzt.
Alle waren sich einig, dass kreative Ansätze gefunden werden müssen, um die Demographie nicht hilf-los abwarten zu müssen. Beispiels-weise, stationär nur noch Pflege-grad 4 bis 5 aufzunehmen und alle anderen Pflegegrade ambulant zu versorgen. Das Verlegen der Pflege in den ambulanten Bereich sei wissenschaftlich gut erforscht – nur der politische Wille und der Leidens-druck in der Gesellschaft seien offenbar noch nicht hoch genug.
Eckhardt kündigte weitere Veranstaltungen an. „Pflege ist einer der wichtigsten Punkte in unserer Gesellschaft und ist immer noch viel zu wenig Präsent. Vieles wird als selbstverständlich gesehen und den Pflegenden, ob privat oder Fachkraft, viel zu wenig Anerkennung gezollt.“